In Memoriam: Zum 90. Geburtstag von Christian Reichenbach
In Memoriam:
Zum 90. Geburtstag von Christian Reichenbach
Heute, am 26. Oktober 2020, wäre er 90 Jahre alt geworden: Christian Reichenbach. Ins sächsische Oberlungwitz in eine Hochburg der Sächsischen Farbentauben hineingeboren, erlernte im elterlichen Baugeschäft das Maurerhandwerk und machte freilich an der Quelle seiner lebenslang anhaltenden Leidenschaft, Rassetauben zu züchten, dort seine ersten Erfahrungen.
Er übersiedelte nach Schleswig-Holstein, verdingte sich dort zunächst bei einem Bauern als Melker, übte vorübergehend eine Anstellung als Betriebsmaurer aus, um dann bis in die Manege hinein zwei Jahre lang als Elefantenpfleger in einem Zirkus aufzutreten.
In jungen Jahren bereits mit fachspezifischen und von ihm illustrierten Beiträgen in der damals geläufigen „Taubenwelt“ aufgefallen, fand er bei der nach dem Kriege in München angesiedelten „Geflügel-Börse“ sehr bald die von ihm bis zur Pensionierung ausgeübte Chefredakteur-Anstellung. Und das ohne journalistische Ausbildung als Autodidakt in bewundernswerter hochqualifizierter Weise. In Oberbayern ansässig geworden, initiierte er die Gründung des SV belatschter Farbentauben, dessen Vorsitzender er später auch wurde und ihn viele Jahre lenkte.
Am Schalthebel des Organs des Bundes Deutscher Rassegeflügelzüchter fungierend, konnte er sich dank seiner fachlichen Kompetenz richtungsweisend sehr nachhaltig wirkend einbringen. So in seiner Eigenschaft als Mitglied des Bundeszuchtausschusses (BZA) auch.
Seine praktische Zuchtarbeit schlug sich in den Sächsischen Weißschwänzen mehrerer Farbenschläge nieder; ein Höhepunkt war die Wiedererzüchtung des Farbenschlages dieser Rasse in Kupfer.
Wissenschaftliche Studien betrieb er Zeit seines Lebens an vielerlei Taubenrassen. Aber auch an Fasanen – die Ergebnisse ließen aufhorchen. Besonders war er den genetischen Vorgängen zugewandt. Nicht minder galt seiner Aufmerksamkeit der Ethologie. Schriftliche Aufzeichnungen von exakt 17.007 Nachkommen von 2.944 Tauben-Zuchtpaaren bildeten hierbei die tiefschürfenden Grundlagen dafür.
Er war weltweit als Taubenpreisrichter unterwegs und unternahm der Tauben wegen viele Reisen in die weite Welt hinaus. Animiert durch die dort angetroffene Rassenvielfalt war ihm ein Anlass, sie hierzulande publik zu machen, bereicherte er mit ihrer Vorstellung das anfangs der achtziger Jahre Aufschwung nehmende Großschauambiente.
In den beruflichen Ruhestand versetzt, bezieht er auf der griechischen Taubeninsel Tinos das von ihm teilweise selbst erbaute Anwesen. Viele Jahre ohne elektrische Energieversorgung, widmet er sich weiterhin der Rassetaubenzucht; nachts bei Kerzenschein seinen Studien und dem Schreiben. Besucht auch häufig Deutschland, wobei er sich formend und Rat gebend beim Aufbau des Deutschen Taubenmuseums in Nürnberg einbringt. Seit ihrem Erscheinen redigiert er die dort alljährlich verlegte COLUMBA-Ausgabe. Zwischenzeitlich (2004) erscheint die zusammen mit Erich Müller verfasste Bibliografie „Deutschsprachige Haustaubenliteratur“ – eine historisch-journalistische Meisterleistung. Unverkennbar auch sein Mitwirken bei der Erstellung der 6-bändigen Buchreihe „Alles über Rassetauben“.
Sein Interesse richtete sich nicht nur in die Welt der Tauben, sein Weitblick war auf die gesamte Ornithologie ausgedehnt. Kein Wunder also, dass er zu den Gründungsmitgliedern der WPA (World Pheasant Association) gehört. In die Jahre gekommen und das Älterwerden spürend, gab er seine Sehnsuchtsinsel auf und zog wieder nach Deutschland in ein Pflegeheim. Beinahe unbemerkt verstarb er dort am 14. November 2019. Nur ganz wenige Trauernde, darunter lediglich zwei Taubenzüchter, begleiteten ihn auf seinem letzten Weg in die Ewigkeit.
Mit diesem Abschied begann nun die Erinnerung an ihn. Der Kreis der Rassegeflügelzüchter hat mit ihm einen ihrer Großen, einen Förderer par excellence verloren. Integer, korrekt, kein Freund von Lobhudelei und Auszeichnungen jeglicher Art grundsätzlich ablehnend, gehörten zu seinen Eigenheiten. Nicht in jedem seiner Mitstreiter sah er einen Vertrauten – auf seine Menschenkenntnis konnte er sich verlassen. Wir, die mit ihm viele Jahre unseres Erdendaseins die Passion der Zucht edler Rassetauben teilten, vermissen ihn. Er hat uns viel, sehr viel gegeben – in der Gemeinde der Taubenliebhaber wird er unvergesslich bleiben.
Günter Stach
DANKE Günter!