Almonds, Vielfarbige, Sprenkel & Co
Welcher Taubenfreund kennt nicht die Faszination, die eine schöne Almondfarbe bei Rassetauben auf den Betrachter ausübt. Streng genommen darf man nur beim Englischen Short Faced Tümmler von „Almonds“ sprechen.
In allen anderen Rassen, bei denen der namensgebende Erbfaktor vorkommt, werden die entstehenden Farbenschläge bescheiden als Vielfarbige oder in anderen Kombinationen als Blau- Silber- beziehungsweise Schwarzsprenkel bezeichnet.
Die Wirkung des Almondfaktors
Die Wirkung eines bestimmten Farbfaktors sollte zunächst immer in Kombination mit dem ursprünglichsten aller Taubenfarbenschläge betrachtet, beurteilt und beschrieben werden. Bekanntlich handelt es sich dabei um den Farbenschlag „Blau mit schwarzen Binden“. Trägt nun eine blauschwarzbindige Taube als einziges weiteres Farbgen den Almondfaktor, so entsteht der Farbenschlag „Blausprenkel“. Wenn dann noch als zusätzliches Farbgen der Ausbreitungsfaktor für Farbe hinzu kommt, so entstehen Silber- oder Schwarzsprenkel.
Diese drei Farbenschläge haben optisch rein gar nichts mit der schönen rotbraunen Cremefarbe der Almondnuss (Mandel) zu tun. Wir erkennen also, dass der Almondfaktor lediglich eine ganz charakteristische Pigmentreduktion des Gefieders verursacht, alleine für sich betrachtet jedoch nicht zur begehrten Almondfarbe führt. Streng genommen ist also die Bezeichnung „Almondfaktor“ irreführend. Es gibt daher neuerdings Bestrebungen das Gen umzubenennen. Treffendere Bezeichnungen wären etwa „Farbunterbrechungsfaktor“ oder „Sprenkelfaktor“. Sowohl die in manchen Rassen, zum Beispiel bei den Dänischen Tümmlern, gebräuchliche Bezeichnung „Stipper“ für Sprenkel oder Vielfarbige als auch das international gültige Gensymbol „St“ veranschaulichen die Wirkung des Gens sehr schön. Ob die von einigen Fachleuten angestrebte Umbenennung reale Chancen auf Umsetzung hat, bleibt angesichts des sehr alten und in den Köpfen vieler Züchter traditionell stark verankerten Begriffs mehr als fraglich. Ich persönlich werde vorerst bei der alten Bezeichnung des Gens bleiben, bin aber in Zukunft für Veränderungen offen, wenn diese von einer breiten Basis gewünscht werden.
Neben der ganz typischen Pigmentreduktion ist für die Wirkung des Almondfaktors noch die Tatsache charakteristisch, dass der Einfluss des Gens auf die Gefiederfarbe mit zunehmendem Alter des Tieres abnimmt. Man könnte überspitzt formuliert sagen, dass sich der Körper der Taube gegen den Almondfaktor mit zunehmendem Erfolg „zur Wehr setzt“. Somit können sich von Mauser zu Mauser wieder mehr Pigmente in den Federn einlagern, wodurch die Tauben immer dunkler werden.
Der genetische Hintergrund einer schönen Almondfarbe
Der Farbeindruck eines klassisch gefärbten almondfarbigen Englischen Short Faced Tümmlers entsteht nur dann, wenn das Tier eine genau definierte Faktorenkombination trägt. Diese setzt sich aus fünf Farbfaktoren zusammen, von denen zwei reinerbig, einer mischerbig und zwei bei Täubern rein- bzw. mischerbig und bei Täubinnen „halberbig“ (hemizygot) vorliegen. Diese fünf Gene sind die schwarze Grundfarbe, die dunkle Zeichnungsanlage, das Kitebronze, das rezessive Rot und natürlich der Almondfaktor. Ein klassisch gefärbter Almondtäuber beispielsweise ist reinerbig für die schwarze Grundfarbe, für die dunkelgehämmerte Zeichnungsanlage sowie für das Kitebronze und er ist mischerbig für das rezessive Rot sowie für den Almondfaktor. Das ist eine Mindestvoraussetzung. Zusätzlich könnte das Tier mischerbig für den Verdünnungsfaktor sowie rein- oder mischerbig für den Weißschildfaktor und dessen Enabler sein, ohne dass sich dadurch sein Farbeindruck wesentlich verändern würde.
Die perfekte Almondfarbe der Englischen Short Faced Tümmler gilt als große Rarität und Besonderheit. Daher wird natürlich bei vielfarbigen Tauben anderer Rassen häufig ein ähnlicher Farbeindruck angestrebt. In höchster Vollendung wurde dieses Ziel bisher nur bei wenigen Rassen und hier auch meist nur in Einzelfällen erreicht. Die genetischen Ursachen dafür sind vielfältig. Zunächst fehlt in den meisten Rassen bei den Vielfarbigen die entsprechende, über Jahrzehnte oder gar Jahrhunderte andauernde Selektion auf die angestrebte satte Almondfarbe, so wie sie beim Englischen Short Faced Tümmler stattgefunden hat. Zum anderen stehen oft rassespezifische Forderungen der bestmöglichen Almondfärbung im Wege.
So stellt beispielsweise die Forderung nach ganz hellen Wachsschnäbeln bei vielfarbigen Orientalischen Rollern eine gewisse Erschwernis auf dem Weg zur perfekten Almondfarbe dar. Aber an Herausforderungen wachsen wir ja bekanntlich, und es ist heute bereits gelungen einzelne vielfarbige Orientalen mit einwandfreien, durch den Smokyfaktor hervorgerufenen Wachsschnäbeln farblich nahe an die Qualität guter Almonds heranzuführen.
Bei Deutschen Modenesern fehlt häufig die klassische Kitebronze in den Zuchten der Vielfarbigen (hier „Magnani“ genannt), welche durch das rassetypische Modenabronze ersetzt wird. Grundsätzlich spricht nichts gegen eine derartige Vorgangsweise, nur muss man sich darüber im Klaren sein und es akzeptieren, dass die Grautöne der Magnani auf Basis des Modenabronze doch immer sehr ausgeprägt bleiben dürften. Noch weiter entfernt von der perfekten Almondfarbe sind in der Regel Vielfarbige von Rassen, bei denen es vorwiegend um Typmerkmale geht und Farbmerkmale erst an letzter Stelle stehen. Als ein sehr markantes Beispiel möchte ich hier vielfarbige Pfautauben nennen, bei denen „almondähnlich“ gefärbte Vielfarbige bis heute die ganz große Ausnahme bleiben.
Die Nebenfarben der Almondzucht
Weil nicht alle erforderlichen Farbgene im Erbgefüge eines Almonds, Vielfarbigen oder Sprenkels in reinerbiger Form vorliegen, kann man diese Farbenschläge nicht rein züchten. Es fallen sogenannte Nebenfarben an. Bei den Sprenkeln sind das die Farben Blau mit schwarzen Binden, Blaudunkelgehämmert und Schwarz. Die beiden wichtigsten Nebenfarben bei Almonds und Vielfarbigen sind die Farben Kite und Rotagate. Theoretisch bräuchte man keine weiteren Nebenfarben, um schöne Almonds oder Vielfarbige zu züchten. In der Praxis treten aber noch drei weitere Farben auf, die auch gerne in den Zuchten eingesetzt werden. Es handelt sich um die Farben DeRoy, Golddun und Gelbagate.
Erstere entstehen durch die Kombination des Almondfaktors in mischerbiger beziehungsweise bei Täubinnen eigentlich „halberbiger“ Form mit dem rezessiven Rot in Reinerbigkeit. Und bei letzteren handelt es sich um verdünnte Kites beziehungsweise um verdünnte Rotagates.
Verpaart werden in den Zuchten niemals zwei Tiere miteinander, die beide den Almondfaktor tragen, weil dabei statistisch ein Viertel der Jungtiere aus für den Almondfaktor reinerbigen Täubern besteht.
Diese Tiere sind meist nicht lebensfähig oder haben schwere körperliche Defekte. In der Praxis stellt man also Almonds an Kites oder Rotagates und DeRoys an Kites. Einige Züchter schwören auf Verpaarungen ihrer Almonds mit den beiden verdünnten Farben Gelbagate und Golddun, weil angeblich die dabei anfallenden, für den Verdünnungsfaktor mischerbigen Almondtäuber eine besonders schöne Almondfarbe zeigen sollen. Tendenziell mag das durchaus der Fall sein, einen signifikanten Beweis für diese Behauptung gibt es allerdings bis heute nicht. Hingegen ist es erwiesen, dass der Verdünnungsfaktor per se eine vitalitätsmindernde Wirkung hat. Meiner Erfahrung nach ist er nicht unbedingt erforderlich für das Zustandekommen der angestrebten Almondfarbe. Ich verzichte in meiner Zucht also bewusst auf den übermäßigen Einsatz verdünnter Tiere.
Anspruchsvolle Zucht
Die Regeln für die Zucht gut gefärbter Almonds und Vielfarbiger sind heute recht genau bekannt und haben ihr Mysterium, das sie für lange Zeit umgab, weitestgehend abgestreift. Dennoch ist und bleibt die Beschäftigung mit diesen attraktiven Farben ein sehr anspruchsvolles, ja man könnte sogar sagen elitäres Vorhaben, dem sich wohl immer nur einige wenige unserer größten Spezialisten widmen werden. Gefragt sind hier neben enormem Einsatz und Fachwissen vor allem auch ein langer Atem und Durchhaltevermögen, weil aufgrund der genetischen Zusammenhänge immer nur ein sehr kleiner Teil der anfallenden Jungtiere dem farblichen Ideal entsprechen werden. Der Anblick eines in der tief stehenden Herbstsonne balzenden, prachtvoll gefärbten Almondtäubers nach Abschluss der Mauser entschädigt uns aber in jedem Fall für alle Mühen, die wir während der Zuchtsaison auf uns genommen haben.
Andreas Boisits
Wir bedanken uns bei Zuchtfreund Andreas Boisits, einem weltweit anerkannten Spezialisten in der Vererbungslehre für die Bereitstellung dieses Aufsatzes in der Hoffnung, dass es nicht der Letzte ist. Andreas kommt aus unserem Nachbarland Österreich, ist Redakteur des ÖKZ und testet sehr viele dieser Vererbungszusammenhänge in seinen Zuchtschlägen.
Ein erster, aber sehr informativer und tiefgründiger Bericht, damit kann der interessierte Züchter wirklich etwas anfangen. Super Eröffnung der Fachdiskussion auf der neuen Homepage.
Als Züchter von Bodenpurzlern beschäftigen wir uns seit Jahren mit der Frage Almond -> Ja oder Nein, auch alle möglichen Sprenkelvarianten treten bei unseren Tauben auf. Die gezielte Farbenzucht ist nur mit solchen Hintergrundinfos möglich. Zwar steht bei unseren Leistungstauben die Farbe nicht im Vordergrund; aber jeder hat ja seine Vorlieben und eine schöne, wie oben beschriebene, Taube in der Abendsonne zu betrachten, die neben der Leistung auch noch dem Farbindeal entspricht, ist sicher Ziel eines jeden Taubenliebhabers.
Nochmals Danke und an die Webmaster ein Lob für diesen Neustart.
Super Andreas!! das ist doch schon mal was auf der neuen HP. Den Miesmachern sei gesagt, dass diese Seite mit sehr geringen Mitteln aufgebaut wird. Das spart Geld, braucht aber etwas Geduld. Übrigens ich kann die Schrift gut lesen!!!