Zucht der Sächsischen Storchtauben
Storchtauben – seltene Schönheiten aus dem sächsischen Farbentaubenland
Geschichtliches und Einleitung
Der SRV hat die Sächsische Storchtaube zur heimischen Rasse des Jahres 2016 auserkoren. Eine Ehre, die den zuständigen Sonderverein der Züchter Sächsischer Farbentauben von 1895 mit Freude und Stolz erfüllt.
Ihren Namen hat die Taubenrasse in Anlehnung an das Zeichnungsbild unserer Weißstörche bekommen. Diese Vögel sind weiß und haben schwarze Schwingen. Demzufolge sind es hauptsächlich die schwarzen Storchtauben, die der Rasse ihren Namen eingebracht haben.
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Aus historischen Aufzeichnungen wissen wir, dass die Sächsische Storchtaube bereits früh in glattköpfig und mit Rundhaube anerkannt war. Reiner Wolf führt in einem Bericht in der Geflügelzeitung 15/2003 an, dass sie gleichzeitig auch spitzkappig anerkannt wurde. Dieses Merkmal, was wir heute vor allem von den Schweizer Tauben her kennen, hat sich nicht etablieren können und wird heute nicht mehr gezüchtet. Ich vermute, dass es sich bei diesen Tauben ganz einfach um Kreuzungstiere aus glattköpfig x Rundhaube gehandelt hat, denn wir wissen, dass Nachzuchten aus solchen Kreuzungen oft einen „Zopf“ am Hinterkopf tragen, der einer Spitzkappe sehr nahe kommt. Es ist ganz einfach so, dass viele glattköpfige Varianten unserer Sächsischen Farbentauben ohne ihre kappigen Geschwister nicht überlebensfähig sind, zumindest nicht auf Dauer. Durch Vermischung von glattköpfig x kappig werden die Köpfe der Glatten in der Regel flach und kantig erscheinen, was ein Kenner der Szene bei der Bewertung richtig einzustufen weiß. Wir haben KEINE Thüringer Farbentauben, wo Kopfrundung eine viel wichtigere Rolle als bei unseren glattköpfigen Sachsen spielt. Der Standard fordert eine „länglich-runde Kopfform“. Diese Formulierung ist durchaus dehnbar. Ebenso ist die Farbe des Augenrandes von untergeordneter Wichtigkeit. Er kann hell-fleischfarbig bis intensiv rot sein. Nur bei ansonsten gleichwertigen Tieren, erhält das mit dem intensiveren roten Augenrand den Vorzug. WITTIG und NEUBERT waren wohl der Auffassung, dass Storchtauben ohne Latschen nicht existieren würden oder sich nicht etablieren könnten, weil die Fußbefiederung ein altes, zur Rasse gehörendes Merkmal wäre. Heute wissen wir natürlich, dass es auch glattfüßige, sprich Thüringer Storchtauben gibt. Diese sind ebenso selten, wie ihre sächsischen Schwestern. Horst Marks spricht in seinem Farbentaubenbuch von 1978 immer wieder von „Schwingentauben“ und beruft sich damit auf die farbigen Schwungfedern des ansonsten überwiegend weißen Gefieders (mit Ausnahme der Stirnschnippe und der Latschenfedern). In älteren Schriften und Abhandlungen wurde die Rasse auch als Spieß- oder Schwerttaube bezeichnet.
Mit einer Meldezahl von 99 Storchtauben wurde zur 1. Weltschau Sächsischer Farbentauben im Januar in Zwönitz im Erzgebirge eine bis dato nie da gewesene Parade dieser Rasse von den Züchtern aus Sachsen, Sachsen-Anhalt, Frankreich und Belgien aufgefahren. Auch die sehr hohe Durchschnittsqualität der gezeigten Tiere ließ sich sehen und die Herzen der Kenner und Züchter höher schlagen. Besonders bekannt sind dabei natürlich die Tiere des „Storchtauben-Urgesteins“ Dr. H.-J. Pfundt aus Gröditz bei Riesa, der über viele Jahre die zuständige Person für den Tier- und Artenschutz im SRV war. Er hält dieser Rasse seit nunmehr über 65 Jahren die Treue und hat somit bereits die Eiserne Hochzeit mit dieser Rasse gefeiert. Aber aus dem SRV kommen jedoch auch weitere erfolgreiche Züchter der Storchtauben: Werner Engert (Leipzig), Gert Melzer (Langenberg/Erzg.), Familie Schulz aus Crottendorf, sowie Gert Unger (Seifersdorf) und weitere Züchter.
Besonders häufig und weit verbreitet war die Rasse nie. Das mag sicher vielerlei Gründe haben. Einerseits sieht das Zeichnungsbild ziemlich einfach aus, was zwei Folgen haben kann: Entweder ist es im Vergleich zur übermächtigen Schwesterrasse, den Sächsischen Flügeltauben, nicht attraktiv genug oder die Neueinsteiger in die „Storchen-Zucht“ stellen zu schnell fest, dass das Storchtauben-Scheckungsmuster durchaus seine Tücken hat und man auf Einkreuzungen von i.d.R. Flügeltauben immer wieder zurück greifen muss. Nichtsdestotrotz scheint die Rasse gerade in den letzten 5 Jahren einen enormen Aufschwung zu widerfahren. Besonders erfreulich ist dabei auch, dass wieder vermehrt jüngere Züchter sich mit dieser aparten Rasse beschäftigen.
Anforderungen an hochrassige Sächsische Storchtauben: Fokus auf Sachsentyp:
Allen Rassen, die zu den Farbentauben mit Ursprung in sächsischer Pflege zählen, ist die im Standard einheitlich geforderte kräftige Feldtaubengestalt eigen. Hinzu kommt der tiefe Stand, mit nur leicht abfallender Rückenlinie und voller, waagerechter Unterlinie. Vervollständigt wird der so genannte „Sachsentyp“ durch die allen Rassen eigene Fußbefiederung. Diese ist im Gegensatz zur Behosung, Bestrümpfung oder den Tellerlatschen, die wir bei anderen Rassegruppen finden, sehr dicht, voll und im Übergang zu den Geierfedern geschlossen. Wichtig ist darüber hinaus die geforderte Dreifachüberbauung des Fußwerks, das möglichst aus breiten und seitlich abgerundeten Latschenfedern besteht, die ihre längste Ausformung nicht im vorderen Bereich, sondern in der Mitte der Latschen erreichen sollen. Gerade in diesem Merkmal haben viele Storchtauben noch Nachholbedarf im Vergleich zu anderen sächsischen Farbentaubenrassen. Die Latschenfedern müssen unbedingt breiter, stabiler und überbauter werden, vor allem im roten und gelben Farbenschlag. Im Unterschied zur „Hühnerlatsche“ ist die Fußbefiederung bei Tauben auch durch eine vollständig befiederte Innenzehe gekennzeichnet. Eine elegante, farbentauben-typische Halsführung vervollständigt das Erscheinungsbild einer edlen Sächsischen Storchtaube und steigert den Rassewert ungemein.
Als störend und fehlerhaft werden neben farblichen Fehlern oder Mängeln im Zeichnungsbild (z.B. aufsitzende Schnippe, angelaufener Augenrand oder (Unter-)Schnabel, weiße oder fehlende Klappenfedern, mehr als 5 farbige oder weniger als 3 farbige Armschwingen, etc.) hauptsächlich zu aufrechte Haltung oder schwache Figur sowie stark beschädigte Latschenfedern, lückenhafte oder sperrige Fußbefiederung bei der Bewertung geahndet. Zu hoher Stand oder Stechlatschen, die dadurch gekennzeichnet sind, dass sie einerseits im vorderen Bereich viel zu lang sind und insgesamt die seitliche Abrundung fehlt, sind bei den Storchtauben kaum zu finden. Hier haben die Züchter über Jahre den richtigen Weg der Auslese und Selektion gewählt, um diese Fehler nicht zu festigen.
Hinzu kommt bei den Storchtauben die Forderung nach einer gleichmäßigen und intensiven Latschenfarbe, was leider oft zu Problemen führt, da gerade bei den Roten und Gelben durch das Anrichten von abgebrochenen Federn im Zuge der Schauvorbereitung schnell ein Farbschwund eintritt, der die Qualität des ausgestellten Tiers unweigerlich mindert.
Anerkannt sind die Sächsischen Storchtauben in den Farbenschlägen schwarz, blau, rot, gelb und blaufahl, jeweils glattköpfig oder mit Rundhaube, die in deutlich erkennbaren Rosetten auslaufen soll, was leider nicht immer der Fall ist. An die Farbe sind hohe Ansprüche zu stellen. Schwarze Storchtauben mit hellem Schwingensaum oder grauen Spiegeln im Hand- oder Armschwung haben keine Chance auf hohe Noten, ebenso wenig wie blau-graue Spiegel im Armschwung bei roten und gelben „Störchen“.
Hat man bei den Lackfarbenschlägen Schmalzkiele, so sorgen diese für einen schönen Glanz im farbigen Gefiederbereich. Fehlt der Schmalz, so ist die Farbe matt und stumpf. Bei Schwarzen kann man in diesem Fall von „graune Mäusen“ sprechen. Bei Kappigen Storchtauben sind diese Tiere aber für die Zucht wertvoll, weil man auf Dauer aus der Verpaarung Schmalzkiele x Schmalzkiele schnell Probleme mit der Haubenfederfestigkeit bekommt.
Haltung & Fütterung:
Für belatschte Taubenrassen empfehlen sich immer Einzelsitze, so genannte Tellersitze. Diese sind für den unbeschädigten Erhalt des Fußwerks wichtig. Der Durchmesser der Holzscheiben sollte etwa 8 – 10 cm betragen. Diese sollten mind. 20 cm von der Wand entfernt angebracht werden. Der Abstand von Sitz zu Nachbarsitz sollte wenigstens 30 cm betragen. In einer vertikalen Reihe sollten die Abstände 35 – 40 cm betragen. Außerdem sind unter den Futtertrögen seitlich Füße anzubringen, so dass die Tauben beim Fressen ohne Probleme ihre Latschen unter den Trog schieben können. So erhöht man die Wahrscheinlichkeit, dass das Fußwerk im vorderen Bereich längere Zeit unbeschädigt bleibt. Die Ausflüge in den Freiflug oder die Volierenanlage sollten über eine Breite von mindestens 50 – 60 cm verfügen, was ebenfalls der Dauerhaftigkeit eines unbeschädigten Fußwerks zugute kommt. Ein sauberer, trockener Schlag- und Volierenboden ist von Vorteil.
Hinsichtlich der Fütterung sind die Storchtauben wie alle ihre Verwandten aus der Farbentaubenfamilie ziemlich unkompliziert. Im Gegensatz zu anderen Rassen braucht man sich hier nicht um bestimmte Futterbestandteile zu sorgen, die sich eventuell negativ auf die Farbe der Augenränder oder der Iriden auswirken. Im Gegenteil. Das Füttern von Mais, speziell von rotem Bordeaux-Mais, kann die Färbung eines schönen roten Augenrandes fördern. Natürlich sind ölhaltige Saaten bei den Lackfarbenschlägen vor allem während der Mauserzeit von Vorteil, um die Ausbildung eines glanzreichen Gefieders zu fördern.
Zucht:
Sächsische Storchtauben sind in der Regel recht zuchtfreudig, was auch notwendig ist, denn die Ausfallquote im Hinblick auf das Zeichnungsmuster kann mitunter recht hoch sein, muss es aber nicht zwangsläufig sein. Es gibt Paare, die 3 bis 5 ausstellungsfähige Jungtiere erbringen, gerade bei den Glattköpfen. Darüber hinaus handelt es sich um eine verträgliche Rasse , so dass man sie auch mit anderen Rassen problemlos zusammen in einem Schlag halten kann. Wie auch bei allen anderen Rassen mit starker Fußbefiederung, so sollte diese ebenso bei den Sächsischen Storchtauben zu Beginn der Zuchtperiode etwas eingekürzt werden. Es wird damit eine Erleichterung des Brutgeschäfts für die Tauben erreicht. Sie werden dadurch beweglicher für den Akt der Fortpflanzung, die Bebrütung des Geleges und die Aufzucht der frisch geschlüpften Taubenküken verlaufen einfacher. Vorsicht ist jedoch geboten, damit man keine Federn erwischt, die sich noch im Blutkiel befinden.
Kopfzerbrechen bereitet dem Züchter in manchen Fällen die Bestimmung des Geschlechts einer Jungtaube, die in der bevorstehenden Brutperiode zur Zucht eingesetzt werden soll, so dass es am Ende immer wieder ungewollte Überraschungen gibt. Es muss in Zukunft viel mehr Wert darauf gelegt werden, dass die Täuber auch auf den ersten Blick als solche angesprochen werden können. Täuber mit femininen Köpfen dürfen nicht zur Zucht eingesetzt werden. Anderenfalls läuft man über kurz oder lang Gefahr, dass einzelne Rassen bzw. Farbenschläge verweiblicht werden. Das kann keinesfalls das Ziel sein.
An Nistzellen und Nistschalen werden keine besonderen Ansprüche gestellt. Hier hat jeder Züchter seine über Jahre erprobten Methoden und Gegebenheiten. Vorteilhaft erweist sich das Anpaaren in Nistzellen, die man hierfür verschließen muss, also solche mit Vorsatzgitter.
Ringgröße für Sächsische Storchtauben ist die Größe 11. Ein paar Tage nach dem Beringen sollten die Jungtiere im Nest nochmals kontrolliert werden, ob der Ring noch wie gefordert über dem Fersengelenk sitzt. Sollte dies nicht der Fall sein, so kann man entsprechend korrigierend eingreifen.
Schauvorbereitung:
Rechtzeitig vor jeder Schau sollten die potentiellen Ausstellungskandidaten unter die Lupe genommen werden. Man kann dabei schon ein grobes Putzen des Ausstellungstiers vornehmen, um zu sehen, ob sich mögliche größere Abweichungen vom geforderten Zeichnungsbild überhaupt standardkonform durch fachgerechtes Putzen korrigieren lassen oder nicht. Das Putzen der Schnippe erfordert etwas Übung, ist aber nicht besonders schwer, wenn man es oft genug gemacht hat. Hierfür sollte man sich bei einem Experten Rat holen und sich zeigen lassen, wie man dabei am besten vorzugehen hat.
Sehr wichtig für die Schauvorbereitung ist die Begutachtung des Fußwerks. Das sollte spätestens 5 Wochen, besser 6 – 7 Wochen vor der geplanten Ausstellung stattfinden. Eventuell stark beschädigte Federn können so für den Ausstellungstermin wieder hergerichtet werden. Die Storchtauben haben hier wie schon erwähnt ihre liebe Not und Probleme. Hier sind die Züchter in Zukunft gefragt eine breitere und stabilere Latschenfeder den Tauben anzuzüchten. Ein Vollbad einige Tage vor der Einlieferung zur Schau ist von Vorteil. Dabei wird Schmutz aus dem Gefieder gespült und der Glanz der Farben kommt richtig zur Geltung. Dabei handelt es sich NICHT um eine unerlaubte Handlung, sondern um intensive Schauvorbereitung. Man kann dem lauwarmen Wasser verträgliche Waschzusätze beifügen. Linda neutral hat sich hierfür bewährt und wird von vielen Zuchtfreunden verwendet, auch beim Waschen von anderem Geflügel. Ausgestellt werden die Sächsischen Storchtauben in 40er Käfigen.
Sondervereine und Sonderschauen
Betreut werden die Sächsischen Storchtauben im SV der Züchter Sächsischer Farbentauben von 1895, der momentan 165 Mitglieder hat und seit 25 Jahren unter der Führung von Gert Melzer aus Langenberg (Erzgebirge) steht, der das Amt 1991 von seinem Schwiegervater Gotthard Merkel übernommen hat.
Mit der 1. Weltschau in Zwönitz im Januar 2016 wurden neue Rekorde in vielerlei Hinsicht aufgestellt. Die gezeigten 99 Storchtauben waren eine Demonstration der Beliebtheit und des Aufschwungs dieser Rasse in den letzten Jahren. Wollen wir hoffen, dass dieser Trend anhält und sich weiterhin neue und junge Zuchtfreunde für die schönen Sächsischen Storchtauben begeistern und ihnen die Treue halten werden.
Christian Zenker